“A Prague School Reader in Linguistics”
Wenn die Grammatik ein System ist, so mufi man die klein- sten Einheiten finden, die dieses System bilden. Als solche kleinste Einheit hat man das Morphem verwendet.
Nach Baudouin de Courtenay wurde es im Projet (p. 321 )1 definiert: “Unité morphologique non-susceptible d’être divisée en unités morphologiques plus petites”. Dieser Terminus, der von einem phonologischen Standpunkt aus festgesetzt ist, hat sich geråde in der Phonologie als sehr fruchtbar erwiesen. Fast immer kann man den sprachlichen Text in eine Reihe von Mor- phemen einteilen. Die sog.morphematische Fuge hat der Phonologie viel genützt. Ohne diesen Terminus ist der Phonologie nicht denkbar. Die Existenz des Morphems in der Sprache wird von niemandem bezweifelt.
Unter suchen wir jedoch seine Existenz noch einmal. In der Definition des Projet steht ein unklares Wort: Morphologie. Im gewöhnlichsten Sinne des Wortes ist es ein Teil der Grammatik, der das, was kleiner als ein Wort ist, behandelt. Hier meint man wahrscheinlich unter Morphologie die Lehre von der Form (im Gegensatz zur Lehre von der Bedeutung). Doch hat man, wie wir schon gesehen haben, bisher nicht erwiesen, dafi ein Gegensatz Form: Bedeutung in der Sprache tatsächlich existiert. Bevor das bewiesen wird, sind wir nicht das morphologische, sondern nur das grammatische Element zu suchen berechtigt.
Für die Grammatik kann das Morphem als ein unteilbares Ganzes nicht geiten.
Die Fälle, die daran hindern, sind ungefähr folgende: 1. Es gibt Beispiele wie engl. foot - feet, tooth - teeth. Diese Wörter haben offensichtlich zwei Funktionen: 1. die des Semanteme “Fufi”, “Zahn”, 2. die des Numerus: Singular, Plural. Dieser Einteilung entsprechen in ånderen Beispielen zwei verschiedene “Morpheme”: hand/0 - hand/s. Demnach können wir sagen: Es gibt in der Grammatik kleinste, unteilbare Einheiten, die man als Semen bezeichnen darf. (Aus ähnlichen Griinden, jedoch von einem “morphologischen” Standpunkt, hat Prof. Trnka2 von “morphologischen Exponenten” gesprochen.) Das Sema ist meis- tens, doch nicht immer, durch eine ununterbrochene Phonem- reihe charakterisiert, d. h. es ist gewöhnlich das, was man als “Morphem” bezeichnet. Die Grenze der Semen ist sehr häufig als solche charakterisiert, d. h. man kann in diesem Sinne von einer sematischen (statt morphematischen) Fuge sprechen.
2. Noch schwerer kann man mit dem Morphem als Grundelement die Fälle erklären, in denen eine Funktion inmitten zweier “Morpheme” ausgedruckt wird: Der finnische Illativ, Genitiv, Partitiv u. Nominativ der a-Stämme lautet folgenderweise: sänaan, s anan, sanaa, sana (Stamm sana-). In diesen Fallen ist die Funktion 1. mittels der inneren Flexion, 2. mittels des Suffixes, bzw. mittels des “Nullmorphems” ausgedruckt. Wie könnte man hier das Morphem als grammatisches Grundelement zugeben?
3. Ein anderes Beispiel. Čech, zen/a, syn/a, mëst/a. Hier handelt es sich um zwei Morpheme: um das Wurzel- und das Endungsmorphem. Jedoch die Funktionselemente (die Semen) der Kasus und Numeri erkennen wir teils an der Endung, teils am Stamme, d. h. wir miissen die Grenze des Morphems uber- schreiten. Danach können wir behaupten, dafi das Sema die kleinste grammatische Einheit ist.
Wenn wir das Sema ais das grammatische Grundement an- nehmen, so erhebt sich vor uns eine weitere Frage: Hat auch das Morphem eine wirkliche Existenz in der Grammatik?
In einigen Sprachen ist das Sema immer oder fast immer durch sein eigenes “Morphem” ausgedruckt. So z. B. hat das Turkische, wie wir noch sehen werden, nur ein “Morphem” mit zwei Funktionen: die Endung der 1. Person Pl. beim Verbum. Darum hat das Morphem im Tiirki schen eine ganz bescheidene grammatische Existenz.
In ånderen Sprachen ist die Situation eine ganz andere. Z. B. im Cechischen bilden zwei Semen sehr oft nur eine Phonem- reihe. Diese Erscheinung zeigt sich nur in den Endungen. Wie wir noch sehen werden, gilt fiir das Cechische die Regel, dafi die Substantiva, Adjektiva u. Verba mit einer zwei- oder dreisema- tischen Phonemreihe enden, d. h. sie mussen ein zweisematisches Endungsmorphem, verschieden von den ånderen, einsematischen Morphemen, haben. Mit ånderen Worten: Im Cechischen hat das Morphem seine selbständige und wichtige grammatische Existenz und im System der Morpheme entstehen neue wichtige Gegensätze.
Hier können wir zu der alten Fråge der Form und Funktion zurückkehren. Man möchte annehmen, daβ im Gegensatz des Sema und des Morphems der Gegensatz der Form und Funktion sich offenbart. Man hätte gute Griinde dafiir. Man vermag tatsächlich die Sprache in eine Reihe akustisch-motorischer Einheiten einzuteilen, die durch eine ununterbrochene Phonem- reihe und sehr oft auch durch eine “morphematische Fuge” char- akterisiert sind. Und man kann auch die begriffliche Seite der Sprache in eine Reihe von Einheiten gliedern, von denen je eine oder mehrere durch ein Morphem ausgedriickt sind. Wie kann man jedoch die Morpheme untereinander identifizieren? Was ist mit den homonymischen und synonymischen Morphemen zu machen? Z. B. das -a im Cechischen Gen. sg. měst/a ware identisch mit dem -a des Nom. Pl. měst/a, des Nom. Sg. žen/a usw., dagegen hätte es nichts mit dem y, e usw. des Gen. sg. žen/y, duš/e, kost/i, usw. zu tun. Desgleichen ware im Deutschen das Morphem Bauer identisch im Sinne ‘der Bauer’ und ‘das Bauer’. Die Existenz solcher Einheiten in der Sprache ist kaum denkbar. Minde stens ist es schwierig sie zu beweisen. Man könnte naturlich einwenden, daß die Verschiedenheit der homonymischen Morpheme darin liegt, daß sie mit verschiedenen ånderen Morphemen verbunden werden. Jedoch worin besteht diese Ver schiedenheit? Die Form der ist vom phonologischen Standpunkt betrachtet so verschieden von des wie von den. Das heißt, wir erkennen den Unterschied zwischen “der Bauer” und “das Bauer” nur aus dem begrifflichen Unterschiede des maskulinen und neut- ralen Artikels. Also der Unterschied zwischen den beiden Morphemen ‘Bauer’ ist begrifflich.
Etwas Ähnliches kann man an dem beobachten, was man ge- wöhnlich als Synonymie zu bezeichnen pflegt. Die Synonymie ist aber ein wichtiger spezieller Teil der Semantik. Sie bezeichnet die Semanteme, die sich semiologisch sehr nahe stehen, so daß man sie für gleichbedeutend hielt. Man hat schon bewiesen, daß diese Semanteme in Wirklichkeit nicht gleichbedeutend sind, jedoch der alte Name kann bleiben. Der Fall, den wir hier behandeln wollen, ist ein ganz anderer. Z. B. die Morpheme des cech. Gen. Sg. žen/y, duš/e, kost/i usw. oder des lat. bon/us, mel/ior, opt/imus gehören offensichtlich zueinander. In verschiedenen Verbindungen wird das eine oder das ander e Morphem ange- wendet. Sie sind also kombinatorische Varianten desselben Morphems. Man kann im konkreten Beispiele ahnen (ähnlich wie bei der phonologischen kombinatorischen Variante), mit welchen Semen die betreffende Variante verbunden wird, jedoch ihre Funktion bleibt immer dieselbe. Diese Erscheinung wollen wir als Homosemie bezeichnen. Wenn also die homosemischen Morpheme Varianten eines Morphems sind, so ist die begrif- fliche Seite zur Definition des Morphems unentbehrlich.
Dasselbe gilt auch von der morphematischen Fuge. Sie wird nur sehr selten phonologisch ausgedruckt. Z. B. in den ungarischen Wörtern ár/?, ara, ‘sein Wert’, ‘Braut’, gibt uns die Phonologie keine Auskunft úber die morphematische Beschaf- fenheit. Nur der Begriffsinhalt der betreffenden Wörter belehrt uns, daß das erste Wort zweimorphematisch, das zweite ein- morphematisch ist.
Auf der ånderen Seite steht das Sema. Hier könnte man wieder annehmen, daß das Sema etwas rein Begriffliches bezeichnet. Jedoch kein Sema kann ohne seine Form existieren. Es ist immer mit demselben formalen Ausdruck oder mit meh- reren, nach bestimmten Regeln wechselnden verbunden.
Danach kann man u. E. nicht die Grammatik in die Lehre von der Funktion und von der Form scheiden. Das Sema ist gleich- zeitig ein formales und ein funktionelies, also ein grammatisches Element. Das Morphem ist eine Verbindung der Semen, die durch sich allein oder mit Hilfe anderer Morpheme durch eine ununter- brochene Phonemreihe ausgedruckt werden.
Ein interessantes Problem bietet hier die Einteilung der Sprache in eine Reihe von Semen. Meistens ist es nicht schwie- rig. Das Sema wird gewöhnlich durch eine ununterbrochene Phonemreihe, d. h. durch ein Morphem ausgedruckt. In ånderen Fallen ist ein Morphem zweisematisch, z. B. Gen. Sg. vir/i drückt 1. den Genitiv, 2. den Singular aus. Jedoch sind nicht alle Beispiele so einfach.
Die Fälle, die uns hier interessieren, sind ungefáhr folgende: 1. Der Kasus und der Numerus, die im Čechischen und in einigen ånderen indogermanischen Sprachen in einem Morphem ausgedruckt werden: nos/0, nos/u, nos/y usw.
2. Einige Kasus, die gleichzeitig den Platz und die Rich- tung anzeigen, z. B. im Ungarischen und Finnischen:
3. Die subjektive und objektive Konjugation im Ungarischen.
4. Sehr interessant ist die Frage nach dem Verhältnis der Personal-Pronomina und der Per sonai-Endungen (possessivischen Personalendungen, verbalen Personalendungen) untereinander. Hier bestehen eigentlich zwei Problemkomplexe: a) Welches Verhältnis herrscht zwischen ‘ich’ und ‘wir’, zwischen ‘du’ und ‘ihr’? Logisch betrachtet ist ‘wir’ kein Plural zu ‘ich’, ‘ihr’ sehr oft kein Plural zu ‘du’. 1st es so im sprachlichen Bewufitsein? 1st es uberhaupt ein Plural (vielleicht ohne Singular)? 1st hier der Plural ein selbständiges Sema? b) Welches Verhältnis besteht zwischen ich, du und er, zwischen wir, ihr und sie? Sind die Verhältnisse im Singular dieselben wie im Plural, oder besser: sind sie parallel? Wie kann man die in einigen Sprachen vor- kommenden sog. exklusivischen und inklusivischen Formen der er sten Person interpretieren? Das Verhältnis der “Personen” kann man vielleicht folgenderweise erklären:
Die drei sog. Personen repräsentieren zwei Beziehungen: An- und Abwesenheit der sprechenden Person und An- und Ab- wesenheit der Person, zu der man spricht. Hier entsteht folgen- des Bild:
So ist auch eine Paralielität des Singulars und Plurals be- wiesen. Man kann also den Plural beim Verbum, den posses - sivischen Personalsuffixen und den Personal-Pronomina als Plural der 1., 2. und 3. Person bezeichnen.
Dieses System gilt in den europäischen Sprachen als etwas ganz Natiirliches. Doch ist er nur eine Lösung der schwierigen Probleme, wie man sich in den verwickelten Kombinationen orientieren kann (vgl. ich + du, ich + du + er, ich + du + du II., du + er usw.). Eine andere Lösung liegt in den Sprachen vor, welche die sog. inklusivischen und exklusivischen Formen besit- zen. Hier sind die Beziehungen gekreuzt.
Der Vor - und Nachteil der beiden Lösungen liegt auf der Hand. Im ersten System sind die Formen fiir die erste Person und die fur “ohne die erste Person” nicht symmetrisch, und im zweiten können die Numeri nicht symmetrisch sein.
Das leichteste Kriterium zwischen einem und mehreren Semen ist die morphematische Beschaffenheit der betreffenden Form. Wo 2 Morpheme bestehen, da sind naturlich auch 2 Semen vorhanden. Es handelt sich um 2 Semen auch da, wo in ånderen Fallen 2 Morpheme sind. Z. B. die Endung des Akk. Pl. im Finnischen ist -t: talo/t. Dieses Morphem ist zweise- matisch, da in ånderen Fallen der Plural sein eigenes Morphem hat: talo/i/ssa. Ein anderes Beispiel: Im Tiirkischen ist die Person und der Numerus sehr oft durch ein eigenes Morphem ausgedruckt, vgl. ev/im, ev/im/iz, ev/in, ev/in/iz, ev/i, ev/ler/i = mein Haus, unser Haus usw. Es ist interessant, daß dieser Plural anders ausgedruckt ist als in den ånderen Fallen (lar/1er). Dieselbe Endung kommt auch bei den Pronomina vor: b/en - b/iz, s/en - s/iz. Danach können wir annehmen, daG auch die Verbalendungen wie sev/ijor /um - sev/ijor/uz, sev/di/m - sev/dik ‘ich liebe? - ‘wir lieben’, ‘ich liebte’ - ‘wir liebten’ zweisematisch sind. Auch da, wo in ånderen Sprachen zwei Morpheme bestehen, muG man an die Möglichkeit der zwei Semen denken (z. B. im Cech. Gen. Pl. dom/u, dem Folgendes entspricht: fin. talo/j/en, ung. hâz/ak/n?k, tur, ev/ler/in). Hier brauchen wir schon ein genaueres Kriterium.
Wir können einiges vielleicht nach dem semiologischen Verhältnis der beiden vermutlichen Semen entscheiden. Z. B. die Kasus und Numeri, die Personen und Numeri sind semiologisch nicht verwandt, und demnach handelt es sich hier wahrschein- lich um zwei selbständige Semen. Dagegen sind die Personen wesensverwandt, und demnach können sie vielleicht auch ein- sematisch sein.
Es entscheiden jedoch hier ganz andere Momente. Wenn das Sema als selbständiges Ganzes empfunden werden soll, so mussen die beiden vermutlichen Semen (z. B. Kasus + Numerus) auch voneinander getrennt existieren. Das ist nur in dem Falle möglich, wenn jedes Sema minde stens in zwei Paaren vorkommt.
Demnach können wir die Fälle, die wir angefiihrt haben, wie folgt entscheiden:
1. Die Kasus und Numeri sind im Cechischen und in den ånderen indogermanischen Sprachen, die hier in Betracht kommen, selbständige Semen;
2. Die betreffenden Kasus sind zweisematisch;
3. Die ungarische objektive Konjugation hat ihr eigenes Sema;
4. Die “Person” und der Numerus beim Verbum, Substan- tivum und Pronomen sind 2 Semen. Die Personen sind in den Sprachen, die nur eine “erste Person” haben, einsematisch, in denen, welche die inklu sivi schen und exklusivischen Formen be- sitzen, zweisematisch. Das beweisen auch die Formen einiger Sprachen, die das Sein oder Nichtsein des ‘ich’ oder des ‘du’ durch ein selbständiges Morphem ausdriicken, z. B. in der Sprache Menomini.3
Das Verhältnis der Morpheme oder der höheren Sememe, die mit Hilfe eines Sema gepaart sind, nennen wir Korrelation. Die Beziehung zweier Semen, die im ganzen Sprachsystem keine Analogie findet, nennen wir Relation. Z. B. die Beziehung zwischen dem ‘du’ und ‘er’ ist in der Menomini-Sprache eine Korrelation, in den europäischen Sprachen eine Relation.
Ein ander es Problem bieten die sog. Nullmorpheme. Null- morphem sind ein oder mehrere Semen, die durch einen laut- lichen Nullwert ausgedruckt werden. Ein solcher Fall ist nur da möglich, wo ein Sema eines kleinen Semasystems für den betreffenden FaU notwendig ist (z. B. bei den Kasusendungen). Es ist aber manchmal schwierig zu entscheiden, ob in dem einen oder ånderen Falle ein Nullmorphem oder kein Morphem vorhanden ist.
In einigen Beispielen ist die Lösung leichter. Z. B. im Čechischen hat der Nominativ Sg. die Endung ‘O’, z. B. kos/O, jedoch auch -a, kos /a, -o, mêst/o usw. Hier ist also die Existenz eines oder besser zweier durch ein Nullmorphem ausge- driickten Semen unzweifelhaft. Ähnliches gilt im Finnischen. Hier ist der N. Sg. immer endungslos. Aufierdem kommt die “Stammform” nur als Akkusativ bei einigen Verbalformen vor. Auch hier ist die Existenz des nominativischen, bzw. akkusati- vischen Sema unbestreitbar. Wie kann man jedoch die ungari- schen Formen interpretieren? Im Ungarischen stehen die Wörter oft in einer “Stammform” d. h. endungslos. Bei den Verben gilt die Stammform nur als 3. Pers. Sg. - auch hier ist also ein Nullmorphem. Jedoch bei den Substantiven gilt sie als Nominativ (Subjekt und Prädikat), als Akkusativ (hier nur ausnahmsweise, das Nullmorphem ist also homosemisch mit der Endung), als Genitiv - Dativ (ähnlich wie bei dem Akkusativ), jedoch auch bei den meisten Postpositionen. Die Adjektiva in attributivischer Stellung sind immer endungslos, desgleichen die Numeralia, die Pronomina (mit Ausnahme der az, ez), und der Artikel. In all diesen zweifelhaften Beispielen hat z. B. das Čechische ein oder mehrere völlig ausgedruckte Semen. Gibt es ein Sema auch im Ungarischen? So wären wir bei einer ånderen Fråge angelangt: Kann iiberhaupt ein Semantem an ein anderes Semantem gebunden werden? Das scheint der Fall zu sein in den Beispielen wie a szegény fiú, a fiú dolgozik, in den asyndetischen Verbindungen föl-alâ, itt-ott, in den Komposita toll/kés, menny/dörgés, end- lich in den Reimwörtern wie libeg - lobog usw.
Was bedeutet eigentlich z. B. ‘a szegény fiú? Abgesehen davon, daß es vielleicht ein Nom. Sg. ist, driickt das Gebilde nicht nur “Armut” und “Knabe”, sondern auch ihre Zusammenge- hörigkeit aus. Diese Zusammengehörigkeit - also ein neues Sema - wird durch die isolierende Verbindung und durch die Vor- anstellung des Adjektivs ausgedriickt. Hier handelt es sich um ein attributivisches Zusammengehören - wie die umgekehrte Wortfolge beweist: a fiú szegény “der Knabe ist arm”. Eine cechische Ubersetzung können wir folgendermassen interpretieren: chud/y hoch/O : chud- = arm, = das Adjektivum gehört zu einem 1. Maskulinum, 2. im Nom., 3. im Sg., hoch = Knabe, 0=1. Nom., 2. Sg., 3. ? Maskulinum.
Nach diesem Muster können wir auch das Problem der Asyn- deta lösen. Im Ungarischen besteht ein spezielles Sema, das der Funktion nach den Konjunktionen és, is sehr nahe liegt und durch eine nahe Verbindung der beiden Wörter ausgedruckt wird.
Ähnlich ist die Situation bei den sog. Reimwörtern oder Zwillingswörtern (ung. ikerszavak).
Die Komposita haben offensichtlich ein selbständiges ver- bindendes Sema, das durch eine Verbindung zu einem Wort seine Ausdruck findet.
Die Postpositionen drucken die Beziehungen zu den ånderen Semen aus. Hier kann man natiirlich nicht von einem Nullmor- phem sprechen.
Endlich bliebe die Stammform im Subjekt u. Prädikat. Hier besteht ein verbindendes Sema, das durch die Nachstellung des Nomens (wie beim Verbum durch die Endung) ausgedruckt wird.
Der Sachverhalt im Türkischen ist derselbe wie im Ungarischen. Das Čechische und Finnische driickt die Prädikation durch das Verbum ‘sein’ aus (wahrscheinlich eine Art Polysemie: ‘existieren’ - ‘existieren eds’). In diesen Sprachen besteht auch ein nominativisches Sema, das das Subjekt oder die Zugehörigkeit zum Subjekt bezeichnet.
So hoffen wir bewiesen zu haben, daû die Semanteme, mindestens in unseren vier Sprachen, nicht nacheinander sematisch gebunden werden können.
Notes
1. In Travaux du Cercle Lingu. de Prague IV, 1931.
2. Some Thoughts on Structural Morphology. Charisteria Gu. Mathesio, S. 57.
3. Vgl. L. Bloomfield, Language /New York 1933/, p. 256.
*Extract from Skalicka’s monograph Zur ungarischen Grammatik (Prague, 1935), pp. 12-20.
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