“A Prague School Reader in Linguistics”
Ein phonologischer Beitrag zur Entwicklung der slavischen Palatalreihen*
Trubetzkoy be schäftigte sich lange Jahre mit den verwickelten Problemen der Umwandlung des urslavischen Lautsystems in den einzelnen slavischen Sprachen und erwies in mehreren gründlichen Studien vor allem die dialektische und chronologische Schichtung des Urslavischen als Ausgangspunkt dieses Umwandlungsprozesses. In einem seiner Beiträge1 unterzog er eine der wichtigsten Eigentümlichkeiten der westslavischen Sprachen einer scharfsinnigen Analyse: diese Eigentümlichkeit betrifft die Ergebnisse der späteren urslavischen Palatalisierung der Velare (k’2, g’2, ch’2), die nämlich eben nur in den westslavischen Sprachen mit den anderen urslavischen Palatalreihen zusammengefallen sind. In den westslavischen Sprachen entstanden:
In allen anderen slavischen Sprachen sind dagegen die Ergebnisse der zweiten regressiven und der progressiven Palatalisierung der Velare (c, 3 [und z, sc [und st] < k’2, k’2, ch’2, sk’2) auf der einen Seite, die Ergebnisse der urslavischen Palatalisierung der Dentale, nämlich die in den einzelnen Sprachen verschiedenen Vertreter von urslav. ti, di und die gemeinsamen Vertreter von urslav. si, zi, sti (š, ž, šč), sowie die gemeinslavischen Ergebnisse der ersten regressiven Palatalisierung (č, ž, [aus ž], š, šč < k’1, g’1, ch’1, sk’1) auf der anderen Seite, voneinander unterschieden geblieben.
Trubetzkoy suchte die Erklärung dieser Tatsache in der ungleichen chronologischen Reihenfolge der betreffenden Lautprozesse in den einzelnen Teilen des urslavischen Sprachgebietes. Seiner Erklärung nach trat erstens der Wandel der Velare k’2, g’2, ch’2 zu den Randpalatalen ĉ, ẑ, ŝ, im Westurslavischen früher als in den anderen urslavischen Dialekten ein, nämlich noch vor dem Wandel der randpalatalen Spiranten ĉ, ẑ (< si, zi) zu š, ž; zweitens vollzog sich auch der (nordurslavische) Wandel der aus ti, di, entstandenen Randpalatalen t, d zu den Affrikaten ĉ, ẑ im Westurslavischen verhältnismäßig früh, jedenfalls früher als der Wandel der Randpalatalen ĉ, ẑ (oder ẑ < ẑ) zu weichen Dentalen, so daß jene neuen Affrikaten diesen letzten Wandel noch mitmachen konnten.
Dieser Beitrag Trubetzkoys ist in der Zeit der ersten Anfänge der phonologischen Betrachtungsweise geschrieben und steht in engster Verbindung mit seinen älteren Arbeiten über die Entwicklung des urslavischen Lautsystems. 2 Es ist nun begreiflich, daß vom Standpunkte der jetzigen entwickelten phonologischen Theorie, die der verewigte Forscher selbst in seinen hinterlas senen » Grund- ziigen der Phonologie « (TCLP VII, 1939) lichtvoll zusammengefaßt hat, besonders aber vom Standpunkte der neuen Deutung der Konsonantensysteme, wie sie auf dem letzten Kongreß für phonetische Wissenschaften in Gent (Sommer 1938) von R. Jakobson vorgetragen wurde, 3 die obige Erklärung Trubetzkoys m. E. et- was modifiziert werden muü. Wenn man die betreffenden Ergebnisse des Lautwandels unter steter Berücksichtigung der phonologischen Systeme und besonders der entstandenen und aufgeho-benen Konsonantengegensätze in den einzelnen Entwicklungsphasen und Sprachen betrachtet, so stellen sich die verwickelten Probleme klarer und einfacher dar; insbesondere die recht unwahrscheinliche Annahme Trubetzkoys einer so spät vollzogenen Entwicklung von urslav. si, zi gemeinslav. š, ž erweist sich als unnötig. Nach dieser Annahme Trubetzkoys mußte doch nicht nur die progressive Palatalisation der Velare (z. B. aksl. vъs’ъ), die Trubetzkoy vor die Monophthongierung der Diphthonge (ei, oi, ai) setzte, 4 sondern auch die zweite regressive, selbstverständlich nach dieser Monophthongierung ziemlich spät erfolgte Palatalisation (z. B. aksl. musě) vor dem Wandel von ŝ ẑ (< si, zi) zu š, ž, vollzogen worden sein; und wenn schon das westurslav. ŝ (in-folge der beiden angegebenen Palatalisierungen aus ch’2 entstanden) diesen Wandel (ŝ [< si] zu š) mitmachte und ŝ ergab (atschechveš, múšš usw. ), warum sind dann die doch gleichzeitig durch dieselbe Palatalisierung aus k’2, g’2 entstandenen ĉ, ẑ, abseits geblieben und haben sich nicht auch zu č, ẑ verändert?
Vom phonologischen Standpunkt betrachtet, bestand das älteste urslavische Konsonantensystem vor Entstehung der neuen Konsonantenreihen durch Mouillierungsprozesse, — von den Liquiden abgesehen, — aus fünf phonologischen Oppositionen: 1. vordere und hintere Konsonanten (p.., t. .: k. .), innerhalb der Vorderen bestand außerdem 2. die Opposition scharfer (aiguës) und stumpier (graves) Konsonanten (der Dentale und Labiale, t. . .: p. . . ) und 3. die Opposition oraler und nasaler Konsonanten (p, t: m, n); bei den hinteren und den vorderen oralen Konsonanten kommt noch dazu die Annäherungskorrelation, also 4. die Opposition der Verschlulßaute und Reibelaute (p, t, k : v, s, ch) und teilweise die Stimmbeteiligung skor relation, also 5. die Opposition stimmhafter und stimmloser Konsonanten (p : b, . . . ). Dieses urslavische System, auf einem Dreiecksystem5 vom Grund- typus
beruhend, wurde von Grund aus umgestaltet durch Phonologisierung der vor den alten vorderen Sonanten mouillierten Velare (k’1, g’1, ch’1):6 denn hiemit wurden auch bei den hinteren Kon sonanten scharfe (aiguës) und stumpfe (graves) unterschieden, und der phonologische Gegensatz der Velare und Palatale trat an Stelle der früheren irrelevanten Mouillierung, unter Beibehaltung der beiden oben genannten Korrelationen der hinteren Konsonanten (k / g — ch : č’/ẑ’ — š’; das Dreiecksystem ist zum Vierecksystem vom Typus
geworden. Die palatale Grundreihe wurde durch die urslavischen Vertreter der Dentale + i, (ti. . . ) vermehrt; so gesellten sich hier zu der mit der velaren Reihe gemeinsamen Annäherungskorrela-. tion (Verschlußkorrelation) und Stimmbeteiligung skor relation noch die Opposition der Vorderen hinzu, und zwar der Gegensatz der oralen und nasalen Konsonanten (t’ . . : ň) der uns hier nicht weiter angeht, so wie die neue Opposition der rauhklingenden (stridentes)7 und sanftklingenden (mates) Konsonanten bei den Verschlußlauten (č’ / ẑ’ : t’ / d’). Diese Opposition ist nur insofern eine Neuerung im urslavischen Konsonantensystem, als sie nicht mehr in Ver- bindung mit der Annäherungskorrelation (wie z. B. t : s, k : ch), wo der Verschlußlaut zugleich sanftklingend und der Reibelaut zugleich rauhklingend ist, sondern von ihr getrennt erscheint; dies ist dadurch bedingt, daß bereits bei dem Annäherungsgegensatz der Palatale č’: š’ die Verknüpfung dieser beiden Oppositionen aufhört, indem hier sowohl der Verschlußlaut als auch der Reibelaut rauhklingend ist. So ist an Stelle des zweigliedrigen Oppositionsbündels, das durch zwei miteinander verbundene Gegensätze bestimmt war, ein dreigliedriges getreten : (sanftklin-gender : rauhklingender) Verschlußlaut : (rauhklingender) Reibelaut; das heißt
Dieses Bündel ist dann im Ausbau der slavischen dentalen und palatalen Grundreihen wichtig geworden.
Die phonologischen Gegensätze dieser urslavischen Palatal-grundreihe sind uns hiemit im großen und ganzen klar geworden, klarer als die phonetische Realisierung der einzelnen Laute, der Glieder jener Gegensätze: nicht nur deshalb, weil es sich um eine blofie Rekonstruktion handelt, sondern die Aussprache dieser palatalen Konsonanten konnte von sich aus eine größere oder gerin gere Spannweite der Artikulation aufweisen, wofern sich nicht aus diesen phonetischen Variationen ein phonologisch relevanter Unterschied ergab. 8 Diese relative Artikulationsfreiheit kam wahr-scheinlich bei der Realisierung der Palatale t’, d’ noch stärker zur Geltung9 als bei der Aussprache von č’, / ẑ’ und č’, / ẑ’. Die eindeutigen Ergebnisse der letztgenannten Laute (č’, / ẑ und č’, / ẑ’) in den einzelnen slavischen Sprachen bezeugen mit Sicherheit, dafi diese wenigstens schließlich zu apikaler Artikulation gelangten. Dagegen waren die Konsonanten t’/d’ erstens immer auch den dentalen t/d gegenübergesteilt (wenn hier die private Mouillierungs-opposition nicht gut zur Geltung kommen konnte, so handelte es sich doch wenigstens um einen — freilich nicht stark ausgeprägten — Gegensatz von hohlem und flachem Klang, 10 zweitens sind ihre Ergebnisse nicht so eindeutig und weisen nur teilweise auf palatale t’ / d’ (oder t, d) als Ausgangspunkt hin. 11 Aber die in allen slavischen Sprachen gleichartigen Ergebnisse der Verbindungen sti, zdi, die ganz eindeutig für gemeinsamen Ausgang (šč’, žẑ’) von der Palatalgrundreihe zeugen, beweisen auch vom historischen Standpunkt dieselbe ursprungliche Stellung der urslavischen Ergebnisse von t/d i. Doch die wahrscheinlich breitere Spannweite ihrer Aussprache einerseits und die Neuar-tigkeit ihrer Stellung im Oppositionssystem der urslavischen Konsonanten, die noch nicht von ånderen potentiellen Gegensatz-beziehungen abgelöst war, andererseits, liefien eine verschiedene Entwicklung dieser Phoneme zu.
Wirklich gingen die Vertreter der späteren mouillierten Velare (k’2, g’2, ch’2), d. h. die Ergebnisse der sogenannten zweiten regressiven und der progressiven (d. i. nach Ekbloms Bezeich- nung friihen und spaten dorsalen) Palatalisierung, bei der Ein- gliederung in das System der phonologischen Gegensätze verschiedene Wege. Da diese Vertreter, abgesehen von den Reflexen von ch’2 , ihre Selbstständigkeit gegenüber den Ergebnissen der sogenannten ersten Palatalisation liberali bewahrt haben, mufiten sie sich von ihnen von Anfang an nicht nur chronologisch, sondern auch phonetisch und phonologisch wesentlich unterscheiden. Ihre späteren Ergebnisse in den einzelnen slavischen Sprachen und ihre dauernde Auseinanderhaltung von der apikalen Reihe č’. . macht es vom phonetischen Standpunkte aus klar, daß sie bei ihrer Eingliederung zur dorsalen Reihe (c’ — ć — k’) gehörten. Die bekannt verschiedene Vertretung von ch’2 (Zusammenfall teils mit s’ und teils mit s), die sich genau mit der Verteilung der verschiedenen Ergebnisse von kv”2, gv’2 des Typus květъ, cvëtъ, gvëzda — zvëzda deckt, zeigt uns, daß ihre Eingliederung in das System der konsonantischen Gegensätze auf dem ganzen slavischen Gebiete nicht gleichartig und vielleicht auch nicht gleichzeitig erfolgt war. Phonetisch konnten sich diese neuen Laute der dorsalen Reihe с’. . . (mit geteiltem Resonator) sowohl in die palatale wie in die dentale Grundreihe einordnen, aber nach dem Stande des urslavischen Konsonantensystems konnten sie eher zu den Phonemen der dentalen Reihe (t/d : s/z) als zu denen der palatalen Reihe (t’ / d’ : č’, / ẑ’ : š’ / ž’) gestellt werden. — Auf dem gröfleren Teil des urslavischen Sprachgebietes ist auch dieser Weg betreten worden: es wurde die neue Opposition der palatalen Reihe (t’ : č’) ausgenützt und die Vertreter der mouillierten velaren Verschluß - laute als Affrikate c’ / z’ mittels des Gegensatzes sanftklingender und rauhklingender VerschluBlaute mit den Okklusiven t/d verbunden und aufierdem als weiche dentale Ver schlußlaute in privater Eigentonopposition (Mouillierungsopposition) zu den harten dentalen Verschlußlauten (t/d) gestellt. Diese privative Eigentonopposition verknüpte auch s’ (< ch’2) mit s/z, aber da sie bei diesen Reibelauten zum Unterschied vom Gegensatz der Verschlußlaute, wo sie nur eine Nebenrolle spielte, isoliert war und auch keine Mouillierungskorrelation schuf, zeigte sich dieser Gegensatz (s : s’ recht unbeständig und wurde, obzwar durch den frühen Wandel von z’ zu z’ unterstützt, aufgehoben (soweit nicht durch die — im Russischen — entstehende Eigentonkorrelation erhalten, vgl. russ. ves’, kn’az’). 12 — Diese hier skizzierte Eingliederung setzt eine ziemlich fortge schrittene Mouillierung der betreffenden Velare voraus, die auch durch den parallelen Lautwandel kv’2, gv’2 > cv, zv bestätigt wird. Schematisch sieht sie so aus:
In den aus die sem ur slavischen Gebiet hervorgegangenen Sprachen (südslavischen und ostslavischen Sprachen) ist der Unterschied der Vertreter von c’ / z’ (z’) < k’2, g’2 und von t’ / d’ < ti/di stets erhalten geblieben. Was die anderen Gegensätze betrifft, so erfuhren sie eine weitere Veränderung in den ostslavischen Sprachen durch die vorhin erwähnte phonologisierte Mouillierungskorrelation, 13 doch dies geht uns in diesem Zusammenhang nicht mehr an.
Anmerk. Der bulgar. Wandel t’ / d’ > šč’, šẑ’ kann m. E. am besten als Differenzierungsprozeß aufgefaßt werden, der den durch die Assibilierung von t’/d’ bedrohten Gegensatz t’ : č bewahrt hat.
Anders entwickelte sich die Eingliederung dieser Ergebnisse der dorsalen Palatalisierung der Velare auf jenem slavischen Sprachgebiete, das Ausgangspunkt der westslavischen Sprachen wurde. Die unmouillierten k’2, g’2 in der Verbindung kv’2, gv (tschech. kvët, hvëzda < gvězda usw. ) zeigen selbst, dafi es sich auf diesem Gebiete um Eingliederung der nicht deutlich nach vorne verschobenen mouilierten Laute der dorsalen Reihe (k’ — c’) handelte, und der Zusammenfall des Ergebnisses von ch’2 mit š’ bezeugt, daß hier die neuen scharfen (aiguës) Konsonanten in die hintere, palatale Grundreihe eingegliedert wurden. Da in diesen Sprachen fast allgemein auch die betreffenden Verschlußlaute (k’ — c, g’ —i) mit t’/d’ (< ti/di) zusammengefallen sind, so konnte man vornherein ihren sofortigen Zusammenfall in dieser palatalen Reihe annehmen, der wirklich und natürlich bei š und dem Vertreter von ch’2 eingetreten ist; aber die Verschiedenheit, die in slovakischen (teilweise auch in ostmährischen) Dialekten zwischen z aus d’ (< di) und z aus g’2 (núdza. . .: noze, kňaz)14 besteht, zwingt uns einen auch nach der Eingliederung der dorsalen palatalen Verschlußlaute (c’ — k’ ź, — g’) in die palatale Reihe fortdauernden Unterschied zwischen ihnen und den Vertretern von ti/di vorauszusetzen. Da die selbständige Bewahrung der drei Verschlußlaut-Reihen t’ (das schon assibiliert wurde) : ć : č’ bei solcher Aufgliederung im Rahmen der Palatale vom phonologischen Standpunkt aus schwierig gewesen ware, mufite sich dieser fort- dauernde Unterschied anders realisieren: als Einordnungsprinzip der neuen Phoneme kam nicht die Opposition t’ — č’ (d. h. sanft-klingender und rauhklingender Verschlußlaut) — deren Realisation durch die Assibilierung von t’/d’ geschwä cht war — zur Geltung, sondern vielmehr der schon oben angefiihrte Gegensatz t : t’, der die Úberfuhrung von t’ / d’ in die dentale Grundreihe zur Folge hatte und sich also im Verhältnis c’ — ć (k’) der palatalen Grundreihe wiederholte: dabei wurde die apikale (koronale) und die dorsale Artikulation gegenubergestellt, welcher Gegensatz mit jenem von flachem und hohlen Klang sowie von unmouilliertem und mouillier- tem Eigenton verbunden war; schematisch ergab sich folgende Einteilung:
Die fortschreitende Assibilierung von t’ / d’ und die phonetische Annäherung der Affrikaten c’ / ž’ und ć / ẑ, die beide mouillierten Eigenton hatten, auf der einen Seite und die neu entstehende phonologisch relevant mouillierte Reihe der Dentalen auf der ånderen Seite, fuhrte in den westslavischen Sprachen zur Vereinfachung der beiden ziemlich schwach ausgeprägten Gegensätze t : c’ und č’ : ć durch den Zusammenfall von c’/ ź’ mit . Die Aufhebung des ersten (t : c’) oder zweiten (č’ : ć) Paares stand bereits mit der verschiedenen Entwicklung der erw’ahnten mouillierten Reihe zur Eigentonkorrelation15 in Beziehung und war dadurch bedingt (das Tschechische hat sich durch Erhaltung des Gegensatzes t : с und durch die Ausbildung eines neuen Gegensatzes t’ : č, die beide auf der Opposition sanftklingender und rauhklingender Verschlufilaute beruhen, der siidslavischen Gruppe angenähert).
Anmerk. Ein Teil der slovakischen Dialekte zeigt einen Unterschied zwischen dem Ergebnisse von ch’2 bei der progres- siven Palatalisation, das zu dem westslavischen Stande stimmt (z. B. všetok), und dem Ergebnisse bei der zweiten regressiven Palatalisation, das dazu nicht stimmt (z. B. muse, lenosi). 16 Da eben diese Dialekte auch den Unterschied zwischen den Vertretern von ti/di und denen von k’2 / g’2 teilweise beibehalten haben (mit z für di und z für g’2), so wie dies im nichtwestslavischen Gebiet der Fall ist, so könnte man vielleicht annehmen, daß diese Gruppe als Randgebiet des Westslavischen zur Zeit des Vollzuges der zweiten regressiven Palatalisation, die bei dieser Annahme der progressiven Palatalisation nachfolgen mufite, von den Iso-phonen des benachbarten siidslavischen Gebietes erreicht wurde, und daß somit die früher vollzogene Eingliederung nach » west- slavischem « Typus auf eine bestimmte Zeit durch die Eingliederung nach » sudslavischem « Typus ersetzt wurde, womit denn jedes z’ aus g’ (vgl. kňaz sowie noze) zu z überging, aber das spätere z aus g’ (< di) erhalten blieb. — Es ist wahr scheinlich, dafi die tschechoslovakische Gruppe in der letzten urslavischen Etappe einige Lautumwandlungen gemeinsam mit der siidslavischen durchgemacht hat, 17 und darum hat die Voraussetzung eines solchen weiteren Prozesses bei einer Teilgruppe nichts Úberraschendes oder Unmögliches an sich. Dennoch fordert dieses hiemit nur angedeutete Problem noch eine gründlichere Beleuchtung, denn die Ergebnisse von Typus muse, lenosi. . . können auch durch morphonologische Analogie (k : c, h : z bedingten ch : s anstatt ch : š) erklärt werden, so wie es T r á v ni č e к (Naãe vë da VI, 1924, 120 und Histor. mluvnice ces. 1935, S. 118 — hier auch die iibrige Literatur zu slovak, s aus ch) und Nit sch (Rev. des études slaves VI, 1926, 46) getan haben; es gibt auch slovak. šedy, šedastý (doch šerý bezeichnet schon Be r noi á k. Slovár slovenskí, u. d. W. ais » vox bohemica«).
Notes
1. Im Aufsatz » Über die Entstehung der gemeinwestslavischen Eigentümlichkeiten auf dem Gebiete des Konsonantismus « (ZslPh VII, 1930, 383 ff.).
2. Besonders » Einiges über die russischen Lautentwicklung und die Auflösung der gemeinslavischen Spracheinheit « (ZslPh I, 1925, 287 ff.) und » Die Behandlung der Lautverbindun- gen tl, dl in den slavischen Sprachen « (ibid., II, 1925, 117 ff.).
3. » Observations sur le classement phonologique des consonnes « (Proceedings of the Third International Congress of Phonetic Sciences. Ghent 1938, S. 34-41).
4. Und auch vor dem Wandel » jo > je «, vgL Revue des études slaves II, 1922, 225 ff. — Zur viëT diskutierten progressiven Palatalisation vgl. die letzte Zusammenfassung und Lösung von R. Ekblom, »Die Palatalisierung von k, g, ch im Slavischen « (Upsala 1935), wie auch die Bemerkungen T. Milewskis zu dieser Arbeit und zum Problem iiberhaupt in Rocznik slawist. XIII, 1937, 8 ff., die m. E. mit Recht die von Ekblom (und nicht nur von ihm) angenommenen Bedingungen dieses Lautwandels (soweit sie dazu k, g, ch + j voraussetzen), sowie Ekbloms Er- klärung des Typus dvijati (aus den Imperativformen) ablehnen; hier findet man iibrigens alle weitere zahlreiche Literatur des Problems. — Auch Ekblom und Milewski nehmen an, dafi diese progressive (» fruhe dorsale«, wie sie Ekblom bezeichnet, ) der zweiten regressiven (nach Ekbloms Benennung » spaten dorsalen«) Palatalisation vorangegangen ist; doch meines Erachtens ist die chronologische Reihenfolge dieser Lautprozesse noch nicht definitiv gelöst worden.
Ekbloms Arbeit bietet derzeit die beste Dar stellung der urslavischen Palatalisierungen der Velare vom phonetischen Standpunkt, und wird daher von uns als zuverlässige Grundlage beniitzt (auch unsere Transkription richtet sich nach dieser Arbeit, soweit nicht anders angegeben).
5. Vgl. R. Jakobson a. a. O,. S. 38 und auch Slovo a slovesnost IV, 1938, 192.
6. Die Bedingungen einer solchen Phonologisierung beschrieb trefflich (doch nicht zum ersten Male) W. Węglarz im Aufsatz » Metafonie społgłosek na tie palatalizacyjnym w prasłowiańśkim « (Slavia XV, 1938, 511 ff.).
7. Ich gebrauche hier den Ausdruck » rauhklingend « an Stelle von Trubetzkoys » scharfklingend « (Grundzüge, S. 120) zur deutlicheren Unterscheidung von » scharf « (aigu) im Gegensatz zu » stumpf « (grave).
8. Dar auf hat mit Recht W. Węglarz a. a. O. aufmerksam gemacht.
9. Vgl. besonders Fr. R a m o v š, » Histor. gramatika sloven. jezika « II. (Konzonantizem, 1924), S. 257 ff.
10. Vgl. zu diesem Gegensatz Trubetzkoys Grundzüge, S. 121.
11. Vgl. besonders R a m o v š a. a. O. und neue stens R. Nahtigal, Slovan. jeziki I ( 1938), S. 37.
12. Vgl. R. Jakobson, Remarques sur l’évolution phonologique du russe. . . (TCLP II, 1929), S. 32.
13. Dieser Prozeß wird vom phonologischen Standpunkte von R. Jakobson in Remarques. .., S. 60 ff. und noch N. van Wijk (La genese de la mouillure des consonnes dans les langues slaves, Slavia XV, 1937/8, 24 ff.) erläutert.
14. Vgl. Fr. Trávníček, Histor. mluvnice česká (1935), S. 143 f. und in Ceskoslovenská vlastivěda III (1934): Havráneк, Nář. čes. 95 und 114, Vážný, Nář. sloven. 228, 236.
15. Zu dieser Entwicklung vgl. N. van W i j к a. a. O., S. 29 ff.
16. Schon Vážný (Sborník věn. Pastrnkovi 171), L’. Novák ( Prípady rat-, lat- za praslov. *ort-, *olt- v sloven. 1933, S. 33) u. J. Stanislav (Lipt. nár., S. 266 f.) hielten das slovak, s in solchen Fällen für Ergebnis der zweiten Palatalisation, haben aber das š in Fällen der progressiven Palatalisation unbeachtet gelas sen.
17. Vgl. bes. Z. Stieber in Lud slowianski, I, 1929/30, 212 ff., obgleich ich nicht allen seinen Ausfuhrungen zustimmen kann, und N. van Wijk, Les langues slaves, de l’unité a la pluralité (1937), S. 33 (=Le Monde slave 1937, Bd. II, S. 423). — F. Trávnícek, » Histor. mluvnice čes. « (1935), S. 117., lehnt alle Ausfuhrungen Stieber s ab; vgl. hier auch die übrige Literatur und die zahlreiche Literatur zur Frage des sogen, slovakischen » Jugoslavismen «, die jetzt noch durch die neuen Artikel von Zd. Stieber und Iv. Lekov vermehrt wurde.
*From Travraux du Cercle Linguistique de Prague, VIII: 327 -334 (1939).
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